Pestel-Institut: „Mehr Wohneigentum durch ‚Bundes-Baudarlehen‘ zum Niedrigzins“
Die eigenen vier Wände im Kreis Oder-Spree: Wohn- Träume platzen in Serie – Eigentumsquote bei 50,6 Prozent
Halbjahres-Bilanz: Minus 46 Prozent bei Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser im Kreis Oder-Spree
LOS (pm). Schlechte Chancen auf ein Wohnen in den eigenen vier Wänden: Vom Einfamilienhaus über das Reihenhaus bis zur Eigentumswohnung – im Landkreis Oder-Spree gibt es rund 45.000 Wohnungen, für die keine Miete bezahlt werden muss. Denn ihre Eigentümer nutzen sie selbst. Die Wohneigentumsquote im Kreis Oder-Spree liegt damit bei rund 50,6 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt hervor, die das Pestel-Institut (Hannover) gemacht hat.
Darin geben die Wissenschaftler eine eher düstere Prognose, wenn es um das Wohneigentum im Kreis Oder-Spree geht: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es nach Angaben des Pestel-Instituts im gesamten Landkreis Oder-Spree lediglich 146 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 270 Baugenehmigungen. „Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um 46 Prozent zurückgegangen“, sagt Matthias Günther. Der Leiter des Pestel-Instituts sieht „das Wohneigentum weiter auf der Rutschbahn“. Um eine Kehrtwende zu erreichen, müsse der Staat dringend ein effektives Wohneigentumsprogramm auf die Beine stellen.
„Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Kreis Oder-Spree quasi in eine Schockstarre verfallen“, sagt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Wohnungsmarkt-Untersuchung beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. Nur wenige Menschen könnten sich die eigenen vier Wände heute noch leisten. „Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten, die vor allem auch durch hohe Klimaschutz-Auflagen nach oben getrieben werden: Wohneigentum scheitert am Geld“, so Metzger.
Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut sprechen sich in ihrer Untersuchung deshalb für ein „Bundes-Baustartkapital“ aus. „Wer heute neu bauen will, der braucht vor allem eines: günstiges Geld. Notwendig ist deshalb ein Bundes-Baudarlehen mit höchstens 1,5 Prozent Zinsen als Startkredit fürs Wohneigentum. Der Staat sollte den Menschen den festen Niedrigzins für 20 Jahre bieten – und das für einen Kredit in Höhe von bis zu 4.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche“, fordert Wohnungsmarktforscher Matthias Günther. Dadurch ließe sich der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern, von Eigentumswohnungen und Reihenhäusern auch im Kreis Oder-Spree wieder pushen. „Mit der Garantie eines langfristig kalkulierbaren und günstigen Kredits würde der Bund den Menschen die Chance geben, zu ‚Neubau-Startups‘ zu werden“, so Günther.
Um mehr Wohneigentum möglich zu machen, sei deshalb ein mehrere Milliarden Euro schweres Darlehenspaket des Bundes notwendig. Die bestehende, erst in diesem Jahr neu eingeführte Wohneigentumsförderung des Bundes erklärt das Pestel-Institut für gescheitert: Mit 350 Millionen Euro ließe sich bestenfalls der Neubau von 2.000 Eigenheimen anschieben. Das Ziel des Bundes sollte es aber sein, 100.000 neu gebaute Eigenheime pro Jahr zu schaffen und damit an frühere Kapazitäten bei der Bildung von Wohneigentum anzuknüpfen. „Außerdem geht die aktuelle Wohneigentumsförderung der Ampel völlig an der Lebensrealität vorbei: Wer sie in Anspruch nimmt, braucht ein niedriges Einkommen. Er muss aber gleichzeitig genug Geld auf der hohen Kante haben, um sich bei hohen Grundstückspreisen und hohen Baukosten einen Neubau leisten zu können“, so Institutsleiter Matthias Günther.
„Ins Geld geht vor allem der Energiespar-Zwang. Hier muss der Bund einen Gang zurückzuschalten“, sagt die Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel, Katharina Metzger. Wer heute für sein Wohneigentum die Förderung vom Bund nutzen wolle, müsse nach dem „extrem ehrgeizigen Effizienz-Standard 40“ bauen. „Das ist aber auch extrem teuer. Also macht es kaum einer. Der Staat muss endlich davon wegkommen, nur ‚Super-Klimaschutzhäuser‘ zu fördern. Denn die hohen Standards machen das Bauen richtig teuer“, so Metzger. Und das bei einer Kosten-Nutzen-Relation, die schon rechnerisch nicht passe. „Das Geld, das zusätzlich beim Neubau in den Klimaschutz gesteckt werden muss, holt auf Jahre hinweg keiner beim Energiesparen mehr heraus“, sagt die BDB-Präsidentin.
Themen-Vertiefung Reihenhaus mit Nettoeinkommen von 3.000 Euro pro Monat wäre möglich – Bund ist gefordert
Machbarkeits-Check zum Wohneigentum für den Kreis Oder-Spree
Das Pestel-Institut hat in seiner Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt auch einen „Machbarkeits-Check Wohneigentum“ für den Landkreis Oder-Spree gemacht. Hierbei haben die Wissenschaftler den Fokus auf den Neubau eines Reihenhauses mit 95 Quadratmetern Wohnfläche gelegt – also auf das Zuhause für eine 4-köpfige Familie. Ökonom Matthias Günther erklärt, warum: „Das Reihenhaus punktet bei den Baukosten. Außerdem ist das Verhältnis von der Wohnfläche zur Grundstücksgröße erheblich besser als beim freistehenden Einfamilienhaus. Es ist damit eine attraktive Variante fürs Wohnen im Eigentum.“
Bei seinen Berechnungen zum Wohneigentum im Kreis Oder-Spree hat das Pestel-Institut unterschiedliche Kriterien herangezogen. Entscheidende Faktoren waren dabei die Zinsen, die lokalen Baulandpreise sowie die aktuellen Baukosten. „Bei der Bewertung der Haushalte, die sich einen Reihenhaus-Neubau leisten können, ist die Zahl der Verdiener nicht entscheidend. Es kommt nur auf die Höhe des Nettoeinkommens an – egal, ob als Lohn, Gehalt, Rente oder Pension. Dabei liegt die angesetzte Grenze der monatlichen Belastung für die Finanzierung von Wohneigentum bei 40 Prozent vom Haushaltseinkommen“, erläutert Matthias Günther.
Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass für einen privaten Haushalt im Landkreis Oder-Spree die Grenze bei einem Nettoeinkommen von 4.800 Euro pro Monat liegt: „Wer ein Einkommen in dieser Höhe hat oder darüber liegt und außerdem noch über ein Eigenkapital von mindestens 37.000 Euro verfügt, der sollte sich auch unter den aktuellen Bedingungen den Neubau des eigenen Reihenhauses im Kreis Oder-Spree leisten können. Hier geht es allerdings um eine ‚Verdiener-Elite‘. Wirklich viele sind das nicht. Für alle anderen Haushalte ist Wohneigentum nur machbar, wenn der Staat den Menschen dabei unter die Arme greift – Familien genauso wie Partnerschaften, Singles oder Wohngemeinschaften, die sich die eigenen vier Wände bauen und darin wohnen wollen“, sagt Ökonom Matthias Günther.
Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu „Bauhilfen fürs Wohneigentum“, für die vor allem der Bund jetzt die Weichen stellen müsse: „Es geht in erster Linie um die nötige finanzielle Starthilfe. Also um ein staatliches Baudarlehen, das nicht nur fehlendes Eigenkapital ersetzt, sondern den Haushalten durch einen langfristigen Niedrigzins auch Sicherheit bietet.“ Konkret: Bei einem Bundes-Baudarlehen mit einem 1,5-Prozent-Zins würde sich das notwendige Einkommen für den Neubau eines Reihenhauses im Landkreis Oder-Spree nach Berechnungen des Pestel-Instituts auf 3.000 Euro netto im Monat reduzieren. „Außerdem muss politisch dringend dafür gesorgt werden, dass überzogene Bauvorschriften abgeschafft und Klimaschutz-Auflagen bezahlbar bleiben, also wieder gezielt gefördert oder zurückgeschraubt werden“, so Wohnungsmarktforscher Günther.
Das Pestel-Institut nimmt in seiner Untersuchung vor allem die 25- bis 40-Jährigen ins Visier: „Sie gehen beim Wohneigentum seit Jahren mehr oder weniger leer aus. Dabei wäre es dringend notwendig, gerade der Nestbauer-Generation wieder eine Chance auf die eigenen vier Wände zu geben. Denn das eigene Haus oder die eigene Wohnung ist eine wichtige Altersvorsorge. Oder anders gesagt: Altersarmut ist in erster Linie Mieterarmut – also Armut durch Miete“, so der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Es sei höchste Zeit für den Staat, „beim Wohnen politisch wieder in den ‚Eigentums-Modus‘ zu schalten“.
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