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aufstehen (pm). Deutschland ist im Ampeltaumel. 62 Prozent der Bürger freuen sich auf diese Koalition – verspricht sie doch, schön bunt und völlig neu zu werden. Mit heroischen Mienen treten die Verhandler vor die Kameras, sind ganz ergriffen von sich selbst und dem neuen vertrauensvollen Miteinander. Es ist atemberaubend, wie mühelos den Grünen der Schulterschluss mit der FDP gelingt. Seit an Seit im Selfie, das allein genügt als Beweis für Erneuerungswillen und digitale Kompetenz. So lieb lächelte Liberalismus lange nicht. Nur: Eine Ampel ist kein Kompass, der Kaiser ist nackt, und Christian Lindner ist Christian Lindner.
Die ersten inhaltlichen Konturen, die unter den bunten neuen Kleidern sichtbar werden, sollten uns skeptisch stimmen. Im Sondierungspapier ist die Anhebung des Mindestlohns die einzige soziale Geste. Keine Vermögenssteuer, keine neuen Schulden – und die Erneuerung? Soll das Geld womöglich in der Rüstung – immerhin Klimakiller Nummer eins – eingespart werden? Im Gegenteil. Einerseits wird die Ampel darauf setzen, dass Unternehmen höhere Gewinne machen (was nach weiteren Zugeständnissen klingt) und der Staat dadurch mehr Steuern einnimmt. Und andererseits soll die Privatwirtschaft die Investitionen in die großen Modernisierungsprojekte gleich selbst und natürlich freiwillig übernehmen. Die Wirtschaft soll es also mal wieder richten. Dass sie dann auch entscheidet, was und wie modernisiert wird, scheint kein Problem. Die potenzielle Ampelkoalition überlässt damit ihren vermeintlichen Markenkern den Unternehmen und dem Markt, beide weder für politische Gestaltung legitimiert noch Treiber von konsequentem ökologischem oder sozialem Handeln. Ein Aufbruch also in den staatlich geförderten Neo(grün)liberalismus. Und das Soziale? Von einer roten Ampel will gerade keiner was wissen – sieht schließlich nach Stillstand aus. Egal in welche Kleider die Kaiser sich hüllen – unsere Aufgabe bleibt, mit dem Finger auf die nackten Tatsachen und die sozialen Missstände zu zeigen!
Keine Frage: Hohe Preise für Benzin und Öl tun weh. Wer auf das Auto angewiesen ist – und das dürften in Corona-Zeiten nicht wenige sein – spürt es schon jetzt, im Winter werden es beim Heizen alle merken. Wobei diejenigen mit einem dickeren Geldbeutel diese Preise leichter wegstecken werden als diejenigen, die nicht so viel haben. Natürlich ist der Kampf gegen den Klimawandel überlebensnotwendig und langfristig kontinuierlich steigende Preise für fossile Energien überall auf der Welt dürften nötig sein, um von dieser Energieform Abschied zu nehmen. Und damit das gelingt, ist eine breite Beteiligung gefragt: Alle sind dazu aufgefordert - aber gemäß ihren individuellen Möglichkeiten. Was natürlich auch heißt: Wer nur wenig Mittel zur Verfügung hat, aber überproportional belastet wird, dem muss durch eine großzügige Umverteilung unter die Arme gegriffen werden.
Drum sollten wir mit Nachdruck und lautstark die soziale Frage in die Diskussion um die Klimakrise und ihre Lösung einbringen. Und was schon in der Corona-Pandemie ein schwerer Fehler war und sich nicht noch einmal wiederholen darf: Für eine breite Akzeptanz dieses Weges braucht es eine umfassende demokratische Beteiligung – des Parlaments und ganz besonders außerparlamentarischer Gruppen und Initiativen. Schließlich geht es nicht um Anpassung an einen schlechten Zustand, sondern um einen Strukturwandel mit einer neuen, völlig anderen Dynamik – auf der ganzen Welt.
Aktion Die Gelegenheit, sofort aktiv zu werden, bietet sich allen aus Berlin und Umgebung jeden Samstag am Brandenburger Tor. Hier veranstaltet nämlich aufstehen-Mitte Woche für Woche, allen Widrigkeiten, dem Wetter und Corona trotzend, eine friedenspolitische Mahnwache. Die Aktivisten kritisieren die westliche Außenpolitik für ihre Regime-Change-Strategie und neokolonialen Tendenzen und üben Solidarität mit Lateinamerika. Hut ab vor dem unermüdlichen Engagement aus Berlin-Mitte! Jeder ist willkommen, die Gruppe zu unterstützen.
Friedenspolitische Mahnwache Jeden Samstag 14 bis 16 Uhr, Brandenburger Tor
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