|
Leipzig, 08.06.2020. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schlägt eine „Gesundheits-NATO“ vor. Die ZEIT schreibt dazu: Es handele sich nach Spahns Plänen um ein „europäisches Bündnis zur gegenseitigen Unterstützung im Pandemiefall und bei anderen Gesundheitskrisen. Um schnell handlungsfähig zu sein, wenn in einem Mitgliedstaat ein Virus ausbreche, brauche es gemeinsame Strukturen, die auf Experten, Ärzte, Ressourcen zugreifen könnten. Dann müsse man auch nicht 27 Mal nationale Reserven mit Schutzmasken anlegen, sondern könne eine europäische Reserve aufbauen.“
Frauke Petry, Mitglied des Deutschen Bundestages dazu:
„Abgesehen davon, dass die NATO kein ausschließlich europäischer Verein ist, ein europäisches Pandemie-Bündnis nach Spahn’schem Gusto also auch dem Namen nach keine ‚Gesundheits-NATO‘ sein könnte, stellen sich gleich mehrere ernsthafte Fragen, deren ehrliche Antworten das Ganze als weitere Schnapsidee aus der Berliner Regierungstruppe etikettieren.
Kurz zusammengefasst, Spahn möchte ein europäisches Robert-Koch-Institut, eine europäische Schutzbekleidungsreserve und einen europäischen Katastrophenschutz mit eigenen Flugzeugen und Lazaretten aufbauen. Diese Dinge sollen im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft vorangetrieben werden. Geld spielt neuerdings ja keine Rolle mehr – kein Wunder also, dass das Budget für das Programm RescEU vor diesem Hintergrund um zwei Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Jedenfalls hat das zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic bereits Anfang Juni angekündigt, wie ebenfalls die ZEIT zu berichten weiß.
Schaut man sich die bisherige Umsetzung vergleichbarer Vorhaben nur allein im deutschen Maßstab an, kommt folgendes Bild heraus: Vorrat an Schutzbekleidung? Seit 2013 verpennt. Einheitlicher Katastrophenschutz? Es gibt 16 unterschiedliche Varianten in den Bundesländern. Robert-Koch-Institut als Beratungsinstanz? Eine Einrichtung des Bundesgesundheitsministerium, welche vor allem dadurch auffiel, sich selbst zu widersprechen.
Was genau die Bundesregierung seit dem Vorliegen einer erstaunlich präzisen Pandemieszenerie (Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012/Bundestagsdrucksache 17/12051) beispielsweise daran gehindert hat, zügig eine nationale Schutzbekleidungsreserve anzulegen, ist nur eine der Fragen, die noch zu klären sind.
Statt wie Spahn zu trompeten, ‚wir müssen uns als Europa mehr zutrauen und mehr trauen‘, sollten wir besser zunächst unsere Hausaufgaben erledigen. Aus dem blumigen europäischen Katastrophenschutz könnte sonst leicht eine europäische Katastrophe erwachsen – in jeder Hinsicht teuer. Derlei Experimente gibt es nun wahrlich bereits zur Genüge. Nationales Unvermögen auf europäischer Ebene zu verstecken, ist zwar ein gern und oft gewähltes Mittel, in Gesundheitsfragen für die Bürger jedoch keine Lösung.“
Hintergrund: https://www.zeit.de/news/2020-06/07/gesundheitsminister-spahn-fuer-gesundheits-nato
Foto: eb |